Die Stadt Mannheim betreibt das Reiss-Engelhorn-Museum.
Die Stadt als Museumsträger störte sich an Fotografien von Ausstellungsobjekten aus dem Museum bei Wikimedia Commons, der Mediendatenbank von Wikipedia.
Der Privatmann, der die Fotos bei Wikimedia hochgeladen hat, hatte diese zum Teil aus einem Katalog des Museums eingescannt. Das Urheberrecht an den Fotos im Katalog hatte der Hausfotograf, ein Angestellter der Stadt Mannheim. Die Nutzungsrechte an den Fotos hatte die Stadt. Andere Fotos hat der Mann im Mai 2007 im Museum selbst gemacht.
Die Stadt verklagte den Mann wegen dieser Fotoverwendung vor dem Landgericht Stuttgart.
Das Landgericht untersagte es dem Mann, die Fotos weiter in der Mediendatenbank Wikimedia Commons öffentlich zugänglich zu machen oder machen zu lassen. Gegen das Urteil legte der Mann Berufung vor dem OLG Stuttgart ein.
Fotos von Gemälden im Museum dürfen nicht einfach ins Internet gestellt werden
Die Berufung war überwiegend erfolglos. Nur bei einem Foto, für das die Urheberschaft des Hausfotografen nicht nachweisbar war, wurde die Klage abgewiesen.
Rechtlich ist zwischen den eingescannten fremden Fotos und den eigenen Fotos zu unterscheiden.
Fremde Fotos werden vom Urheberrecht des Fotografen geschützt
Dass die eingescannten Fotos des Stadt-Fotografen über das Urheberrecht geschützt waren, überrascht wegen des umfassenden Schutzes von Fotos nicht.
Die Fotos sind jedenfalls Lichtbilder i.S.d. § 72 Abs. 1 UrhG. Ob die Fotos zusätzlich auch als Lichtbildwerke i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 5 UrhG geschützt sind, war egal.
Das Argument des Beklagten, dass es nur um die Abbildung von Gemälden in möglichst unveränderter Form ging, ändert daran nichts:
Eigene Fotos verstoßen gegen das Hausrecht des Museums
Anders ist das bei den selbst gemachten und dann hochgeladenen Fotos. Wenn man selbst der Fotograf ist, verstößt man nicht gegen das Urheberrecht eines anderen Fotografen.
Denkbar wäre noch eine Verletzung des Urheberrechts am Kunstwerk. Das spielte – vielleicht war der Urheberrechtsschutz schon erloschen, weil die Kunstwerke schon alt sind – in der Entscheidung offenbar keine Rolle.
Deswegen stützt sich das Gericht auf die sogenannte Sanssouci-Rechtsprechung des BGH und auf den Besichtigungsvertrag, den jeder Besucher stillschweigend mit dem Museums-Träger schließt.
Recht am Bild der eigenen Sache
Kernaussage der Sanssouci-Rechtsprechung des BGH (z.B. BGH Urteil vom 19.12.2014, V ZR 324/13) ist, dass – wenn die Fotos von seinem Grundstück aus gemacht werden – das ausschließliche Recht zur Anfertigung und kommerziellen Verwertung von Fotos von Bauwerken und Gartenanlagen dem Grundstückseigentümer zusteht. Beim Schloss Sanssouci ist das die Stiftung Preußischer Kulturbesitz.
Der BGH leitet das aus Eigentumsrechten her, insbesondere § 903 BGB:
„Der Eigentümer einer Sache kann, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, mit der Sache nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen.“
Die vom OLG Stuttgart zu klärende Frage war, ob das auch für bewegliche Sachen – wie Ausstellungsobjekte im Museum – gilt.
Besichtigungsvertrag enthält Fotoverbot
Weiteres rechtliches Argument war der Besichtigungsvertrag zwischen Museumsbesucher und Museumsträger bei jedem Museumsbesuch. Da Schilder mit durchgestrichener Kamera bereits im Mai 2007, also bevor die Fotos entstanden sind, angebracht waren, wurde dieses Fotografierverbot Vertragsbestandteil.
Aus dem Besichtigungsvertrag ergibt sich laut OLG auch ein vertraglicher Unterlassungsanspruch.
Wegen der grundsätzlicher Bedeutung der Rechtsfrage, die ja nicht nur Museen betrifft, wurde die Revision zum BGH zugelassen.
Fazit: Museen können - gestützt auf diese Rechtsprechung - Fotos von ihren eigenen Objekten monopolisieren. Museumsbesucher, die Fotos machen, müssen vorsichtig sein, wenn die Fotos über rein private Zwecke hinaus genutzt werden.
OLG Stuttgart, Urteil vom 31.3.2017, 4 U 204/16
Quelle: OLG Stuttgart PM vom 19.6.2017
Vorinstanz Landgericht Stuttgart Urteil 17 O 690/15 –
Die gesetzlichen Grundlagen:
§ 2 Abs. 1 Nr. 5 Urheberrechtsgesetz
Zu den geschützten Werken der Literatur, Wissenschaft und Kunst gehören insbesondere: …
5. Lichtbildwerke einschließlich der Werke, die ähnlich wie Lichtbildwerke geschaffen werden …
§ 72 Abs. 1 Urheberrechtsgesetz
Lichtbilder und Erzeugnisse, die ähnlich wie Lichtbilder hergestellt werden, werden in entsprechender Anwendung der für Lichtbildwerke geltenden Vorschriften des Teils 1 geschützt.
Update:
Gegen das Urteil wurde Revision beim BGH eingelegt. Der BGH hat entschieden und das Urteil im Ergebnis bestätigt. Lesen Sie dazu meinen kommentierenden Artikel
Aktuelle Information zu Leipziger Museen:
Mit Beschluss der Stadtratssitzung (30. Oktober / 7. November 2019) werden gemeinfreie Werke und deren Abbildungen in Leipziger Museen zukünftig (mit der Entgeltordnung 2020) vom Fotoverbot ausgenommen und entsprechend gekennzeichnet.
Rechtsanwalt Alexander Grundmann
Fachanwalt Urheber- und Medienrecht und für Gewerblichen Rechtsschutz
Rechtstipps und Urteile